Geschichte

Die Anfänge liegen in der Steinzeit
Nach derzeitigem Forschungsstand ist St. Jakob nicht nur der älteste urkundlich nachweisbare Ort des Defereggentales, sondern überhaupt der älteste Osttirols, in dem sich bislang menschliche Spuren nachweisen ließen. Im Jahre 1987 gelang es dem Wiener Kinderarzt Dr. Walter Potacs auf dem Hirschbühel (oberhalb von Mariahilf) in ca. 2100 m Seehöhe eine mittelsteinzeitliche Jägerstation (ca. 8000-5000 v. Chr.) zu entdecken. Sie wurde im folgenden Jahr archäologisch erforscht und dabei unzählige Objekte aus Feuerstein (Silex) sowie Bergkristall – zahlreiche Werkzeuge und Abschläge (= Abfälle) – geborgen. Die Feuersteine stammen aus dem südalpinen Bereich (nördlich von Verona). Die Werkzeuge, darunter ein Rundkratzer für die Fellbearbeitung, und verschiedene Lamellen, Spitzen und Messer wurden für die Bewehrung von Geschoßspitzen verwendet. Als Bindemittel für die Haftung des Steins auf dem Holzschaft diente Harz.
Weitere derartige Funde, allerdings in viel geringerer Zahl, wurden im Bereich des Staller Sattels, des Erlassbodens sowie auf dem Weg von der Lappachalm zum Gsieser Törl gemacht.
Die Objekte können seit 2005 im Museum Zeitreise Defereggental besichtigt werden.
Ein weiterer bemerkenswerter urgeschichtlicher Fund wurde 1998 gemacht: Bei Umbauarbeiten in einem Privathaus in St. Jakob wurde ein etwa 5 m langer Baumstamm entdeckt. Die Untersuchung einer entnommenen Probe ergab ein Altar von ca. 5500 Jahren. Leider konnte der Baumstamm nicht geborgen werden.

Von den Slawen zu den Bajuwaren
Während aus der Römerzeit bislang keine Funde in bzw. aus St. Jakob bekannt sind, ist das frühe Mittelalter, genauer gesagt die Einwanderung der Slawen (etwa im 7. Jahrhundert n. Chr.) durch zahlreiche slawische Flurnamen (zumeist auf -itz) auch in St. Jakob belegt (z. B. Popeletz-Bach, Feistritz, Lappach-Alm…). Etwa im 8. Jahrhundert wanderten Bajuwaren ein und besiedelten – vermutlich über die Passübergänge von Südtirol kommend – das innere Defereggental.

Ein 1000 Jahre alter Einbaum aus dem Obersee
Aus dem frühen 11. Jahrundert stammt der vielleicht bedeutendste archäologische Fund im Talschaftsmuseum Zeitreise Defereggental, der Einbaum aus dem Obersee (Oberer Antholzer See, am Staller Sattel). Entdeckt im Jahre 1999 anlässlich einer Übung der Wasserrettung Bruneck, konnte er ein Jahr später geborgen und anschließend restauriert werden. Dieses kleine Boot diente vermutlich dem Fischer des Fürstbischofs von Brixen, dem der Obersee damals gehörte: Fisch war ein wesentlicher Bestandteil des bischöflichen Speiseplans.
Der Einbaum ist aus zwei Gründen einzigartig: einerseits stellt er den höchstgelegenen Fund eines historischen Wasserfahrzeugs in Europa dar, andererseits ist er der bislang einzige bekannte Einbaum aus Zirbenholz.

Von Schwaigen und Rauten – Die Herrschaft der Görzer Grafen (12. Jahrhundert bis 1500)
Während das äußere Defereggental kirchlich und politisch zum Erzstift Salzburg gehörte, unterstand der innere Talbereich (vereinfacht gesagt: St. Jakob innerhalb des Trojer Almbaches, jedoch ohne die Almen des innersten Defereggentales) ab dem 12. Jahrhundert in politischer Hinsicht den Grafen von Görz, die in Lienz residierten.
Die erste Nennung eines Gutes im heutigen St. Jakob stammt aus den Jahren um 1142/47 und betrifft eine Schenkung von zwei Huben in der Feistritz an das Kloster Neustift in Südtirol, das damals über das ganze Defereggental verstreut seine Besitzungen hatten.
Im Görzer Urbar (Verzeichnis der Güter und ihrer Einkünfte) aus dem Jahre 1299 werden 12 Schwaigen verzeichnet. Darunter versteht man eine bäuerliche Wirtschaftseinheit, die „zwölf Stück Großvieh mit einer Zinsleistung von 300 Pfund Käse pro Jahr“ (H. Ladstätter) zu erbringen hatte.
Die Urbarmachung des Bodens beschränkte sich im Mittelalter vorwiegend auf die Sonnseite des Tales. Aus den „Urhöfen“, den Schwaigen, entstanden im Lauf der Jahrhunderte die Neurodungen, die man als „Raute“ bezeichnet.
Die für das innere Defereggen zuständige Verwaltungsbehörde der Grafen von Görz war das Gericht und Pflegeamt Virgen im Schloss Rabenstein. Wegen der Entlegenheit des Defereggentals wurde für St. Jakob ein eigener Unterrichter (Niederrichter) eingesetzt.

Seit 1500: St. Jakob bei Tirol
Nachdem der letzte Görzer Graf Leonhard im Jahre 1500 gestorben war, kamen seine Besitzungen an den damaligen Landesfürsten von Tirol und Kaiser des Hl. Römischen Reiches, Maximilian I. Diese Zugehörigkeit zu Tirol (und damit letztlich zum heutigen Österreich) wurde nur durch die napoleonischen Kriege unterbrochen: Im Jahre 1807 kam das ganze Defereggental an das mit Napoleon verbündete Bayern, drei Jahre später wurde Defereggen Teil der so genannten Illyrischen Provinzen, die zum französischen Kaiserreich gehörten. 1814 kehrte St. Jakob zu Tirol zurück.

 

St. Jakob im Umbruch – das 19. und 20. Jahrhundert
Ebenso wie die Nachbargemeinden erlebte St. Jakob im 19. und 20. Jahrhundert einen großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruch. Mit dem Straßenneubau Ende des 19. Jahrhunderts hielten verschiedene technische Neuerungen wie z. B. der Telegraphie (Errichtung des Postamtes im Jahre 1900) oder der Elektrizität (in St. Jakob wurde 1925 das erste E-Werk am Trojer Bach in Betrieb genommen) im Tale Einzug.
Im Jahre 1901 wurde die Freiwillige Feuerwehr St. Jakob gegründet, doch bereits zuvor gab es im Dorf eine Handfeuerspritze mit den dazugehörigen Schläuchen. Die Chronik von Hans Ladstätter zählte im Zeitraum von 1879-1979 insgesamt 12 Feuersbrünste.
Aber auch auf kulturellem Gebiet gab es einige Neuerungen: Im Jahre 1854 wurde die Musikkapelle gegründet, deren Hauptaufgabe es zunächst war, den Kirchenchor instrumental zu unterstützen (eine Orgel war damals für St. Jakob noch unerschwinglich).
Ein einschneidendes Ereignis stellt auch der Erste Weltkrieg dar, gewann doch St. Jakob durch die neue Grenzziehung entlang der Wasserscheide das Gebiet der Almen im innersten Defereggental (Patsch, Oberhaus, Seebach, Jagdhaus) dazu (über 4000 ha). An den Ersten Weltkrieg und seine Opfer erinnert das 1927 vom Grazer Fürstbischof Ferdinand Pawlikowsky eingeweihte Kriegerdenkmal (vor der Pfarrkirche), das die Bronzefigur eines Kaiserjägers zeigt. Es wurde 1990 umfassend restauriert.
In Bruggen (Mariahilf) wurde ein Zollamt zur Überwachung der 34 km langen Staatsgrenze eingerichtet.
Die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts brachten umfangreiche Investitionen und Baumaßnahmen mit sich. Mit der Eröffnung der Kläranlage (1993) und des Biomasse-Heizwerks (1994) setzte die Gemeinde auch bedeutende Maßnahmen im Bereich des Umweltschutzes.
Im Jahre 1984 wurde in St. Jakob die „Rotkreuzstelle St. Jakob / St. Veit“ eröffnet, womit die Gesundheitsversorgung entscheidend verbessert werden konnte. Sie erhielt 1998 ein neues Gebäude, das auch von der Schützenkompanie und dem Alpenverein genutzt wird.

 

 

Literaturhinweise:
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M. Fingernagel-Grüll, Die Kunstdenkmäler des Politischen Bezirkes Lienz (Österreichische Kunsttopographie Bd. LVII/3), Horn 2007, S. 258-266.
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H. Ladstätter, Chronik von St. Jakob in Defereggen (Tiroler Ortschroniken Nr. 31), Innsbruck 21979
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